Künstler Karl-Willi PAUL aus Saarbrücken:
Ein Freund der Freiheit läßt Plakate sprechen
13./14. November 2021
Wegsehen und schweigen sind so gar nicht sein Ding. Um sich mehr Gehör zu verschaffen, entwirft der Saarbrücker Weltreisende Karl-Willi Paul, Ex-Gewerkschafter und digitaler Künstler neuerdings politische Plakate im Stil des legendären SPD-Politplakateurs Klaus Staeck.
VON ANJA KERNIG
Foto: Iris Maurer
Der Saarbrücker Karl-Willi Paul ist Künstler und Weltreisender.
SAARBRÜCKEN | |Schreiben ist maximal Silber. Egal, wie engagiert oder pointiert man sich des Wortes bedient. Worte, zu Sätzen aneinander gereiht, müssen aktiv gelesen, verarbeitet, verstanden werden. Bilder sprinten dagegen quasi von selbst ins Großhirn. Gold halt.
Weshalb Karl-Willi Paul, 70, passionierter Leserbriefe-Schreiber, heute lieber Plakate gestaltet als seitenlang zu argumentieren. „Ich habe nach einer anderen Möglichkeit gesucht, als immer nur Texte zu schreiben.“ Verfasst etwa in seinem „persönlichen Kampf gegen AfD und Querdenker vor der Landtagswahl. Das hat keinen interessiert.“ Ganz anders sieht es mit einer Kombination aus Bild und Wort aus.
„In grauer Vorzeit hat mich Klaus Staeck mit seinen Plakaten begeistert.“ Der Rechtswissenschaftler, künstlerisch ein Autodidakt wie Paul, avancierte in den 1960er-Jahren mit seinen sozialkritischen Collagen und Fotomontagen auf Plakaten und Postkarten zu einem der bedeutendsten politischen Künstler in Nachkriegs-Deutschland. Pauls Büro zierten etliche von Staecks Werken, darunter das legendäre „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“ Abgebildet ist Albrecht Dürers Zeichnung seiner kopftuchtragenden alten Mutter, die 18 Kinder zur Welt gebracht und Seuchen und Armut überlebt hat.
Karl-Willi PAULs Plakat Afganistan 2021, Foto Karl-Willi PAUL
Den Ausschlag, sich selbst an so einer Darstellung zu versuchen, gaben Berichte von Bootsflüchtlingen auf dem Mittelmeer, als sich die Situation im Mai dramatisch zuspitze. „Der Meeresboden von Lampedusa“, so der Titel seines Erstlings, zeigt eine Menschenmenge unterhalb der Wasseroberfläche, über die Wellen ungerührt hinweg gleiten. Dazu stellte Paul das bekannte Zitat aus der Dreigroschenoper, in dem Brecht eine Linie zwischen denen im Dunkeln und denen im Licht zieht: Die einen sieht man, die anderen nicht. „Ich habe für mich diese Art der Meinungsäußerung wieder aufgegriffen, weil ich zuspitzen und die Betrachterin, den Betrachter schnell mit meinem Standpunkt konfrontieren kann“, sagt er. Ob zum chaotischen Abzug des Nato-Militärs aus Afghanistan oder den Ampel - Koalitionsverhandlungen in Berlin. Als wacher, kritischer Geist muss sich der gebürtige Homburger einfach äußern, wenn es irgendwo brennt. „Ich war schon immer politisch tätig“, erklärt Paul. Die Arbeit als Gewerkschaftssekretär sei sein Traumjob gewesen. Was ihm, dem früheren Klassen- und Schulsprecher, selbst erst im Nachhinein so richtig bewusst geworden sei. „Menschen zu helfen, Bildungsarbeit, Streiks zu organisieren – das hat Spaß gemacht“, betont er. Auch, weil er selbstbestimmt habe agieren können.
Eine dritte Konstante in seinem Leben neben Politik und Reisen, gern weit weg und immer mit Ehefrau Margit, ist die Kunst. Selbst aktiv wurde der Diplomverwaltungswirt und Vater einer Tochter aber erst im Alter von 30 Jahren. Zehn Jahre lang widmete er sich der abstrakten, experimentellen Acryl-Malerei, traditionell von Hand. Als er nach längerer Abstinenz 2013 zurück an die Leinwand wollte, funktionierte das für ihn plötzlich nicht mehr. Dafür fand sich eine neue interessante Spielart: Beim Bearbeiten eines Familienfotos am Computer auf den Geschmack gekommen, entdeckte er die „new digital art“ für sich. Und nun also die Plakate. Die verschickt er per Mail an seine Freunde und stellt sie auf seine Homepage.
Was ist mit Facebook und Co? Nein, die lehnt Paul prinzipiell ab, er misstraut den Betreibern sozialer Netzwerke. „Drei Romane waren prägend für mich: Deutschstunde von Siegfried Lenz und 1984 von Orwell beziehungsweise Schöne neue Welt von Huxley. Die haben mir die Augen geöffnet.“ Stichwort: Diktatur. Und gläserner Mensch. „Ich verweigere Daten.“
Was ebenfalls Thema eines Plakates ist, auf dessen schwarzem Untergrund eine knallrote Krake prangt, deren Tentakel Namen wie Amazon, Google oder Tik Tok tragen. Paul selbst sieht darin keinen erhobenen Zeigefinger: „Ich gebe nur Anregungen zum Nachdenken, Anstöße. Es steht mir nicht an, jemanden zu belehren“, betont der begeisterte Langstreckenwanderer und Bergsteiger. „Aber streiten tu ich gern.“
Im realen Leben begegnet man Pauls Werken in der Eingangshalle der IHK Saarbrücken, die sein „Neuer Baum“ ziert, und geballt im Neubau der Inneren Medizin am Universitätsklinikum Homburg, wo er Flure und Besucherbereiche mit 16 großformatigen, leuchtend farbigen Bildern gestalten konnte. Für seine politischen Plakate sucht er noch nach Möglichkeiten, sie im öffentlichen Raum auszustellen. „Nach Absprache mit mir können sie auch gern kostenlos verwendet werden.“